Wenn 6 Tage Schweigen laut sind
Was man in Stille alles hört
Manchmal zeigt dir ein fremder Mensch genau das,
was du selbst lange nicht sehen wolltest:
Es fing mit einem Mann an.
Mitte 60. Kernig. Funktionierend. Ruhrpott-Mentalität.
Er war mit dem Rad in den Schwarzwald gefahren.
550 Kilometer bis zum Ashram. Stolz. Allen hat er es mitgeteilt.
Stille? Ein Geschenk seiner Frau, meinte er lachend. "Weil ich zu viel rede."
Er war skeptisch. „Was soll schon passieren in 6 Tagen ohne Worte?“
Sechs Tage später. Tränen.
Er sagte, es seien mit die tiefsten Tage seines Lebens gewesen.
Er habe seit Jahrzehnten nicht mehr so viel gefühlt.
Gleicher Mann. Nun ganz andere Gesichtszüge.
Ich werde diesen Wandel nie vergessen.
Sein Gesicht war wie ausgetauscht – locker, leicht, lebendig.
Irgendetwas hatte sich gelöst.
Ich weiß nicht genau, was innerlich in ihm passiert ist.
Vermutlich eine Menge. Ich dachte mir nur, armer Kerl.
Hat über Jahrzehnte eine schwere Maske gehalten.
Gemacht, geleistet, geliefert.
Nichts an sich ran gelassen. Alles überspielt.
Das muss viel Kraft gekostet haben.
Schön, dass es doch noch passiert ist.
Ich hoffe er fängt viel mit der neuen freien Energie an.
Einfach mal nichts sagen.
Ich wusste nicht genau, worauf ich mich eingelassen hatte.
Reden mache ich ja auch nicht ungern. Meist nur um mich selbst zu entladen.
Den armen Gesprächspartner als geistige Kläranlage nutzen.
Soweit so gut.
Ich wusste nur: Ich will Klarheit. Mehr Verbindung. Weniger Rauschen.
Irgendwo hatte ich die Hoffnung, dass mir jemand einfach sagt, was meine wahre Aufgabe ist.
Mein Einsatzgebiet. Mein Spielfeld.
Wunderbar im Einklang mit mir selbst.
Und irgendwie bin ich bei der Suche nach Innenschau, Ruhe, Meditation auf “Art of Living” gestoßen.
Das "Happiness Program" klang erstmal nach Marketing.
Aber irgendetwas hat mich gepackt. Vielleicht war es das Wort "Kriya" als Reinigung.
Klingt gut. Zudem hatte ich gerade "Breath" von James Nestor gelesen.
Klare Buchempfehlung an dieser Stelle.
Er sprach von einer Atemtechnik namens Sudarshan Kriya.
Eine der tiefgreifendsten Atemtechniken, die er selbst je erlebt hatte.
Genau diese scheint es dort zu geben.
Also los. Wenn James es sagt. Schwarzwald. Ashram. Schweigen.
Was in der Stille passiert
Ich dachte: "Was soll da schon sein?"
Nur 6 Tage die Klappe halten - okay.
Tatsächlich:
Viel Sitzen.
Viel Atmen.
Kein Sprechen.
Kein Blickkontakt.
Kein "Hallo", kein "Wie geht’s".
Und der ganze innere Lärm. Anfangs.
Für mich als verkopfter Dude schwierig sich dem hinzugeben.
Schon am Abend merkte ich, wie viele meiner Handlungen aus Automatismus bestehen.
Wie oft ich urteile, einordne, auf Reaktion hoffe. Unruhig bin.
Wie laut es da oben eigentlich die ganze Zeit redet. Gedanken Ping Pong.
Dann Andere verurteilt, weil nichts zurück kommt.
Keine Aufmerksamkeit. Beachtung.
Alle “unhöflich”, “frech”, “unsympatisch”,“ Was zum…”.
Alles im Kopf - es hat nichts mit einem selbst zu tun.
Jeder, wirklich jeder ist in seinem eigenen Film.
Und wandelt genau so schweigend und bestimmt konfus durch die Gänge.
Der Kopf redet, auch wenn der Mund schweigt.
Ich wurde mir bewusst, wie oft ich nur lächle, um etwas zurückzubekommen.
Etikette. Gewohnheit. Macht man eben so. Aber für wen - für sich selbst.
Bestätigung. Gesehen werden.
Es viel unfassbar schwer, einfach nur zu sein.
Der Atem als innerer Aufräumer
Die Sudarshan Kriya ist schwer zu beschreiben.
Eine Mischung aus zyklischem Atmen, rhythmischer Sequenz, Halten, Loslassen.
Körperbereiche anspannen, loslassen, Fokus setzen, verschieben.
Angeleitet von Voice Records des Gründers: Sri Sri Ravi Shankar.
Immer wieder die Worte “So Ham”.
Es wirkt wie kontrolliertes, rhythmisches Atmen in Wellen.
Geführt, kraftvoll, tiefgehend.
Eine Art innerer Reinigungsprozess – manchmal angenehm, manchmal fordernd.
Nach jeder Session jedoch sehr befreiend. Weniger Lärm im Kopf.
Es kommen Bilder hoch. Gefühle. Erinnerungen. Nicht immer schön, aber wichtig.
Ich dache mir - krasses Werkzeug. Wieder in meiner alten Funktions-Denke.
Die Details sind für jeden anders und lassen sich gar nicht beschreiben.
Das darf jeder selbst erleben.
Gerne hingehen.
Was mir hängen blieb
Sätze von Sri Sri Ravi Shankar:
"Save your mind at any cost."
Was du denkst, bestimmt, wie du fühlst, handelst und lebst – schütze ihn vor unnötigem Lärm, Negativität und Selbstsabotage.
"Surrender is the most powerful skill."
Das bewusste Loslassen von Kontrolle, Erwartungen und Widerstand als Schlüssel zur Freiheit.
Ich habe gemerkt, wie sehr ich festhalte.
An Konzepten. An Bildern. Dingen. An der Idee, wer ich sein muss.
Und wie etwas zu sein hat.
Und wenn nicht, dann ist es falsch. Gefährlich. Passt nicht.
Tausend fremde Erwartungen. Fremde Ideen.
Aber wer bin ich ohne das alles? Wo kommt das her?
Stille zeigt dir nicht sofort die Antwort.
Aber sie zeigt dir, dass du die Frage zu lange übertönt hast.
Das da auf jeden Fall etwas ist, was gehört werden möchte.
Zumindest ging es mir so.
Und das bei so wenigen Tagen.
Ein Start. Die ersten Schritte um wieder zu spüren.
Natürlich hat sich diese Innenschau im Alltag wieder abgeschwächt.
Ich habe nicht alles mitnehmen können – klar. Aber etwas ist geblieben: ein wacheres Bewusstsein.
Für Gedanken. Für Gefühle.
Als Teil, nicht als Identifikation. Und die leise Stimme.
Für das, was mich eigentlich bewegt.
Mir wurde auf jeden Fall klar, dass ich eine Änderung einleite.
Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich meinen Job kündigen werde.
Mich mehr und mehr für Atmung interessiere. Ein mehr “Zumuten” etabliere.
Und ein paar mal hierhin zurück komme und die Innenschau vertiefe.
Was du mitnehmen kannst
Vielleicht brauchst du keinen Ashram.
Aber vielleicht brauchst du einen Moment der Stille.
Etwas Zeit für dich. Unabhängig vom Strudel. Von Unternehmungen. Ablenkungen.
Vielleicht reicht eine bewusste Atmung.
Oder ein Spaziergang ohne Ziel. Belangloses Wegdriften.
Vielleicht brauchst du nicht mehr Wissen.
Sondern ein bisschen weniger Ablenkung.
Schweigen sortiert. Atmung reinigt. Bewegung befreit.
Und wenn du all das zulässt, kommst du dir etwas näher.
Keine Ahnung wo das hinführt, aber irgendetwas nimmt einen mit.
Wenn dir das alles zu verrückt erscheint, brauchst du es vielleicht am meisten.
No judging. Mach damit was du für richtig hältst.
Frage an dich:
Wann warst du zuletzt einfach nur da – ohne etwas zu leisten, ohne besser werden zu müssen?
Wann hast du zuletzt nicht reagiert – sondern einfach beobachtet, was in dir passiert?
Und auf welchem Spielfeld spielst du gerade – ist es wirklich deins, oder nur vertraut?
Zum Schluss: Das hier beschreibt nur einen kleinen Teil dessen, was dort passiert ist – aus meiner Perspektive. Innen wie außen ist mehr geschehen, als Worte greifen können. Und gerade die Begegnungen nach der Stille waren besonders. Aber das ist eine andere Geschichte. Alles in allem kann ich diese Zeit dort nur jedem empfehlen.
Bleib klar. Bleib echt. Bleib in shape.
Daniel aka tall.dude.moves | folge mir auf Instagram für mehr